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Liebe Grüße Kerstin
14. April 2019
Über die Suche nach einer nachhaltigen Handtasche, die Sache mit den fairen Arbeitsbedingungen und was das alles mit dem coolen Label industrierelikt zu tun hat!
Meine Beziehung zu Handtaschen ist speziell. Das wisst Ihr vermutlich schon aus diesem Beitrag. Ich habe nur sehr wenige und mit denen gehe ich durch dick und dünn. Aber mein all-time favourite aus Kunstleder löst sich so langsam komplett auf. Also machte ich mich auf die Suche nach einer, die nachhaltig hergestellt und fair produziert wird. Man könnte jetzt meinen, dass das heutzutage gar nicht so schwer wäre. Pustekuchen!
Zuerst versuchte ich mein Glück in einer nachhaltigen Facebookgruppe. Mein Text lautete ungefähr so: "Hi zusammen, ich bin auf der Suche nach einer neuen Handtasche. Kennt jemand ein Label, das nachhaltig und fair produziert - am besten in Deutschland? Sollte vom Stil her klassisch schwarz / grau sein. Ich möchte keine selbst nähen, da ich das nicht kann. Bitte nur Sachen zum Kaufen vorschlagen. Danke!"
Kurz darauf sah ich auch schon, dass jemand zu tippen begonnen hatte. Gebannt wartete ich auf die Antwort, die mich meinem Ziel sicher ein Stück näher bringen würde.
Hast Du vielleicht ein Tuch oder einen breiten Schal zu Hause, den Du nicht mehr brauchst? Dann knote Dir doch den zusammen. So hast Du eine tolle Tasche, ganz individuell und super nachhaltig!
Innerlich bin ich während des Lesens dieser Message schon halb gestorben. Boah - ich wusste es! Erstens ist das keine Lösung zum Kaufen und zweitens wie sieht denn das aus, bitte? Ich möchte nicht als Öko mit Badelatschen und einer selbst geknoteten Tuchtasche durch die Gegend laufen. An sich hätte ich es wissen müssen, dass vermutlich nur Freaks in der Gruppe sind, die keinen Sinn für Ästhetik haben. Nur weil ich etwas Nachhaltiges, fair Produziertes haben möchte, muss es doch nicht aussehen wie selbst gehäkelt und Totalkatastrophe. Das muss doch auch stylish gehen. Ich weiß ja, dass ich öfter "anders" als der Rest bin, aber dafür muss es doch eine vernünftige Lösung geben. Die weiteren Vorschläge aus der Gruppe waren ebenso wenig hilfreich. Von knallbunten Afrika-Taschen (ich hatte doch in der Frage die Wörter: Schwarz und Grau erwähnt...), über Haute-Couture-Designer Beutel für 1300€ bis hin zu Handtaschen für kleine Mädels (ich sag nur "Einhorn" Design) war alles dabei. Nähanleitungen habe ich auch zugeschickt bekommen. Leute, ich will KAUFEN und nicht selbst mit der Hand Stich für Stich setzen, da ich keine Nähmaschine habe! Zefix. So im Nachhinein recht lustig (ich grinse mir grad einen), aber in der Situation war ich einfach nur vollends genervt.
Ich habe dann selbst die Suchmaschine angeworfen und mich durch zig Labels gewühlt. Die einen machen irgendwas total Fancy-mäßiges aus ganz verrückten Materialien, was wirklich cool aussah. Aber die Produktion ist in Bangladesch. Angeblich mit strengen Kontrollen und schon so bisschen fair. Ne. Glaub ich nicht. Die nächsten lassen in Deutschland fertigen, aber die Taschen sehen einfach nur fürchterlich aus. Drama - sag ich Euch. Ich habe sogar einige Labels angeschrieben und gefragt wo diese fertigen lassen. Die Antwort war immer so wischi waschi. Die haben sich alle total gedrückt zuzugeben, dass sie in Billiglohnländern produzieren lassen und das Zeug trotzdem ziemlich teuer hier verkaufen. Aber ist alles vegan. Schön tierlieb, aber Leute ausbeuten. Ne - das kann und will ich nicht mehr unterstützen.
Irgendwann hatte wer ein Einsehen mit meiner Misere und ich entdeckte das Label industrierelikt. Hier gibt es Taschen, die aus hochwertigen, ungenutzten Industriematerialien hergestellt werden. Alles Unikate und dazu noch in Deutschland fair gefertigt. Vom Stil her eher minimalistisch und dazu total einzigartig. Mission completed =)
Beschreibt den jeweils anderen mit drei Worten!
Karen ist... Kreativ, Ruhepol, Ideengeberin
Michel ist... Querdenker, Macher, Zahlenliebhaber
Karen, schon als Schülerin hattest Du ein Faible für Auto-Sitzpolster. Was hast Du mit dem Material gemacht und welche Faszination geht für Dich davon aus?
Es begann mit dem ersten Auto meiner Eltern, das verschrottet werden sollte. Da schnitt ich die Sitzpolster und Autogurte raus und nähte die erste Tasche – noch ganz per Hand und ohne Innenfutter. Mit der Zeit lernte ich immer mehr dazu und ich liebte es, auf dem Schrottplatz rum zu klettern, Polster aus Autos rauszuschneiden und dann auch Taschen – jetzt mit Innenfutter und Maschine – zu fertigen.
Karens Abschlussarbeit hatte das Thema "Ressource Industrieabfall". Hast Du Dir dieses selbst ausgesucht oder kam das eher zu Dir? Entstand damit schon die erste Tasche oder was war genau der Inhalt der Arbeit?
Das Thema meiner Abschlussarbeit habe ich mir selbst ausgesucht und kam aber auch gleichzeitig zu mir, bei einem Besuch auf dem Schrottplatz. Ich war durch das Studium lange nicht dort gewesen und hatte mal wieder Lust. Doch da hatte sich in der Zwischenzeit einiges getan, denn aus Sicherheitsgründen war es mir nicht mehr gestattet, mich frei zwischen den Autos zu bewegen und die Sitzpolster herauszuschneiden. So musste ich erleben, wie noch hochwertige Materialien einfach entsorgt werden – diese hatten immerhin ein Leben gehabt. So dachte ich nach und kam auf die Idee, dass es auch Materialien geben wird, die nicht mal in den ersten Kreislauf gelangen und schon wären der Produktion aussortiert werden, obwohl sie hochwertig sind und für andere Produkte weiterverwertet werden könnten. So knüpfte ich bei der Autoindustrie an und begann dort nach Textilausschüssen zu suchen und wurde für die Abschlussarbeit fündig. Zunächst hatte ich ausgeschlossen wieder eine Taschenkollektion als Produkt zu entwerfen, da ich das ja schon vorher gemacht hatte. Doch im Laufe meiner Recherchen und Ansätze kam ich doch wieder zurück zu diesem zeitlosen Produkt, das als Botschafter dient und gesehen wird – jetzt in Kombination mit Holz. Das hat auch Michel überzeugt.
"Unikate statt Brennstoff" - so lautet Euer Slogan. Was genau steckt dahinter?
Kurz und knapp wollen wir mit dem Slogan beschreiben, was es mit den Materialien, unseren Produkten und ihrem Recyclinghintergrund auf sich hat. Da wir die Ausschüsse aus der Produktion von Polsterern und Sägewerken bekommen, können wir nicht gewährleisten, dass jede Tasche gleich ist. Durch die Materialkombination ist jede Tasche ganz bewusst ein Unikat, allein mit den Holzmaserungen ist jeder Boden und Griff individuell, ein Unikat. Würden wir diese Ausschüsse den Unternehmen nicht abnehmen, würden die Materialien sonst entsorgt werden und so als Brennstoff in Kraftwerken verheizt werden.
Eine Tasche besteht unter anderem aus Industrie-Textilien und Furnierhölzer aus der Autodekorleisten-Produktion, die ohne Euch einfach weggeworfen würden. Wie kam da der Erstkontakt zustande? Habt Ihr da einen speziellen Dealer? ;)
Die ersten Kontakte wurden während der Bachelorthesis von Karen geknüpft, da besteht noch der Kontakt zu einem unserer Haupt-Furnierholz-Partner. Weitere Werke sind dazugekommen. Partner für Textilien haben wir während der Gründungsphase akquiriert und haben mit unserem Kunstlederzulieferer einen großartigen Partner gefunden, dem Qualität und Nachhaltigkeit wichtig ist.
Welche besonderen Eigenschaften haben die Materialien, die Ihr verwendet? Wie macht Ihr Euch diese zunutze?
Unser Obermaterial besteht aus robustem, langlebigem und hochwertigem Kunstleder, welches sonst für medizinische Liegen oder Friseurstühle verarbeitet wird, also als Grundeigenschaften höchst strapazierfähig, belastbar und immer wieder desinfiziert werden kann. Für den Einsatz in unserer Hydrogen-Linie sind diese Eigenschaften einer langlebigen, farbechten und strapazierfähigen Tasche natürlich optimal, da das Material auch einfach abwaschbar ist. Die Griff-, Gurt- und Bodenverbindungen sind aus Echtleder – Reste einer Polsterei – da bei sehr kleinen Stücken Leder auf Zug bessere Eigenschaften aufweist. Die Furnierhölzer, in Form gepresst, dienen als Böden und sorgen für das Alleinstellungsmerkmal, dass die Taschen stehen können. Auch die Griffe sind aus ästhetischen Gründen und als Handschmeichler aus Holz gefertigt. Das Holz an den Taschen sorgt für ein wohliges Gefühl, da es einfach schön ist sich mit Holz zu umgeben.
Welche Arbeitsschritte benötigt es bei Euch um eine industrierelikt-Tasche herzustellen - sozusagen vom Papier bis zum fertigen Exemplar?
Nehmen wir unsere aktuelle Kollektion HYDROGEN, hier begann der Feinschliff 2015/2016. Es mussten Prototypen gefertigt und getestet werden, lange saßen wir an der Lösung für die Bodenverbindung von Textil und Holz, da wir nicht kleben wollten. 2017 haben wir eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt und so auch die erste Serie in Produktion gegeben. Jetzt sind wir an der dritten Serie von Hydrogen. Zunächst bereiten wir das Holz vor, Furniere müssen zurechtgeschnitten werden und zu unserem externen Produzenten in den Schwarzwald geschickt werden, der formverleimt und fräst die Böden. Gleichzeitig bereiten wir die Griffplatten vor - sowohl das Furnier als auch die digitalen Laserdateien mit den Griffen und Schmuck. Die Griffe und der Schmuck werden gelasert und von uns weiterbearbeitet bis zum geölten Finish. Dann wird die Farbauswahl der Textilien getroffen in Kombination mit dem Holz. Wir stanzen die Materialien und geben diese inklusive der Griffe an eine Täschnerei in Weimar zum Nähen. Die gefrästen Böden werden von uns von Hand geschliffen und geölt und zum Schluss an die Taschen geschraubt. Abschließend bekommt jedes Unikat seine Nummer, wird fotografiert und verpackt.
Ihr setzt auf faire, nachhaltige und regionale Strukturen bei der Fertigung. Wer ist hier alles beteiligt? "Who made my bag"?
Siehe vorhergehende Frage/Antwort. Bei der Holzvorbereitung haben wir bis zu der aktuellen Serie Unterstützung von Karens Schwester erhalten, diese ist nun nicht mehr Studentin, sondern berufstätig und somit leider nicht mehr verfügbar. Ansonsten sind wir zwei es, die jede Tasche zusammensetzten und verpacken.
Welche Produkte könnten noch entstehen aus Textilausschuss, der aus der Automobilindustrie & Co. stammt? Was fällt Euch da spontan ein?
Wir planen unsere Taschenkollektion zu erweitern, dass heißt andere Modelle zu fertigen wie z.B. eine Reisetasche. Außerdem liegen noch weitere Materialien und Anfragen bei uns auf dem Tisch die verarbeitet werden wollen. Wir denken über weiter Taschen nach, Konfektion oder Möbel...
Ihr leitet das Label industrierelikt zusammen. Wer übernimmt bei Euch welche Aufgaben?
Karen ist für das Design, Entwurf und Visuelle verantwortlich und Michel für die Organisation, Finanzen und Marketing. Doch jede Entscheidung wird von uns beiden entschieden, diskutiert und optimiert. Kein Entwurf wird nur einseitig durchgewunken und Planungen werden abgesprochen. Der Kontakt zu unseren Partnern wird von uns beiden gepflegt, je nachdem, welche Fragen gerade beantwortet werden müssen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Euch so aus? Erzählt doch mal!
Das schöne an unserer Arbeit bei industrierelikt ist, dass es eigentlich keinen normalen Arbeitstag gibt. Es sind eher Phasen, je nachdem was gerade ansteht. Wenn wir, wie jetzt, an der Produktion sitzen, müssen wir uns um all diese Schritte kümmern. Natürlich gibt es auch das laufende Geschäft, was täglich gemacht werden muss, wie Mails beantworten, Finanzen machen, Bilder posten, ... ☺
Sind weitere Produkte unter dem Label Industrierelikt in Planung oder baut Ihr die Taschenserie noch weiter aus? Lasst uns doch an Euren Zukunftsplänen ein bisschen teilhaben =)
Es liegen noch weitere Ausschussmaterialien und Anfragen bei uns auf dem Tisch, die verarbeitet werden wollen, ob weiter als Taschen, Konfektion oder Möbel wird sich noch ergeben. Wir freuen uns und sind gespannt wo es noch hingehen wird, sind ja noch am Anfang. Jetzt aktuell sind wir am Umziehen und bauen quasi eine neue Zentrale im Taunus auf. Auch wird es hoffentlich ganz bald unseren Onlineshop geben.
Vor kurzem ging der Shop von industrierelikt online! Da findet Ihr alle Farb- und Holzgriffkombinationen, die es aktuell gibt. Die beiden sind auch öfter mal auf Designmessen unterwegs, wenn Ihr die Produkte live und in Farbe sehen möchtet. Falls Ihr spezielle Wünsche habt, dann schickt doch einfach eine nette Mail mit Euren Fragen an Karen & Michel. Ist definitiv auch ein Geschenk, dass man sich von mehreren Mal zum Geburtstag oder Weihnachten schenken lassen kann!
Wie gefallen Euch die Taschen von industrierelikt? Welche Farbkombi ist Euer Favorit? Mich hat es total erwischt. Ich bin schwer verliebt in die Produkte von dem coolen Label! Ich warte nur noch bis eine kleinere Version rauskommt und dann schlage ich zu =)
Liebe Handtaschen-Grüße
Kerstin
Photo Credit: industrierelikt